Heft 196

Manfred Kops:

Soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Nachfrage seiner Zuhörer und Zuschauer korrigieren?,

Köln, im März 2005, ISBN 3-934156-90-8

36 S., Schutzgebühr 4,00 €

 

Dieser Beitrag befasst sich mit der Frage, ob bestimmte Rundfunkprogramme (de-)meritorische Güter im Sinne Musgraves sind, die nicht nach Maßgabe der Zuhörer/innen und Zuschauer/innen angeboten werden sollten, sondern nach Maßgabe eines besser informierten Anbieters, etwa eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalters. Die Arbeit lehnt diesen "alten" meritorischen" Ansatz ab. Sie zeigt aber, dass aufgrund vielfältiger Marktfehler (fehlende Rivalität im Konsum und hohe Kostensubadditivitäten, fehlende Ausschließbarkeit, Externalitäten, asymmetrische Informationsverteilung, hohe Suggestionswirkungen) die Wünsche der Zuhörer und Zuschauer nach bestimmten Programmarten nicht erfüllt werden, wenn diese nach den Marktgesetzen von Angebot und Nachfrage bereitgestellt werden. Dies begründet regulatorische Eingriffe oder Korrekturen, auch eine nicht-staatliche, öffentlich-rechtliche Bereitstellung solcher Programme, und zwar nicht als unzulässige Form paternalistischer (alter) Meritorik, sondern als eine von den Zuhörern und Zuschauern gewünschte Form der Korrektur von Marktmängeln.

Die Arbeit macht zudem deutlich, dass sich auch die "alte" Meritorik als Korrektur von Marktmängeln verstehen lässt, sofern bestimmte Marktversagensformen (assymetrische Informationsverteilung, hohe Suggestivkraft) für Rundfunkprogramme anerkannt werden. In diesem Fall kann das in den Wirtschaftswissenschaften allgemein anerkannte Postulat der "Konsumentensouveränität", das (de-)meritorische Korrekturen ausschließt, für Rundfunkprogramme nicht aufrecht erhalten werden. Vielmehr sind dann nach der ökonomischen Prinzipal-Agent-Theorie Programmentscheidungen der (besser informierten) Programmveranstalter (Agenten) geboten, die von den Wünschen der (schlechter informierten) Zuhörer und Zuschauer abweichen. Dieses ökonomisch abgeleitete Ergebnis entspricht denjenigen anderer Disziplinen, die eine fehlende Konsumentensouveränität bzw. Medienkompetenz von Zuhörern und Zuschauern immer wieder betont haben. Es erklärt u. a., warum bestimmte Programme von (vor allem öffentlich-rechtlichen) Rundfunkveranstaltern angeboten werden sollten, auch wenn diese von den Zuhörern und Zuschauern kaum nachgefragt werden, und umgekehrt andere Programme, für die eine hohe Nachfrage besteht, von ihnen nicht angeboten werden sollten. Die vorliegende Arbeit fasst dieses Ergebnis mit Bezug auf damit konkurrierende Thesen in folgender Formulierung zusammen: "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte dem Publikum nicht das bieten, was es hören und sehen will, und er sollte ihm auch nicht das bieten, was es hören und sehen wollen sollte, sondern er sollte ihm das bieten, was es hören und sehen wollte, wenn es medienkompetent wäre. Und durch ein solches Angebot könnte und sollte er dazu beitragen, dass sein Publikum medienkompetent wird."

Der Beitrag ist bereits im Buchhandel erschienen in: Christa-Maria Ridder u. a. (Hrsg.): Bausteine einer Theorie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Festschrift für Marie Luise Kiefer, Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2005, S. 341-366. 

Inhaltsverzeichnis:

1. Rundfunkprogramme als meritorische Güter?
1.1.   Musgraves Konzept meritorischer Güter
1.2.   Die Kritik am Konzept meritorischer Güter

2. Rundfunkprogramme als nicht meritorische, aber nur begrenzt marktfähige Güter
2.1.   Rundfunkprogramme als nicht rivalisierende Güter
2.2.   Rundfunkprogramme als Güter mit hoch subadditiven Kosten
2.3.   Rundfunkprogramme als nicht ausschliessbare Güter
2.4.   Rundfunkprogramme als mit Externalitäten behaftete Güter
2.5.   Rundfunkprogramme als von den Rezipienten schwer beurteilbare Güter
2.6.   Rundfunkprogramme als suggestive Güter

3. Die Vereinbarkeit des Konzeptes der begrenzten Marktfähigkeit von Rundfunkprogrammen mit dem Konzept der Meritorik
3.1.   Marktmängel als systemkonforme Begründung für die Regulierung einer privatwirtschaftlichen Bereitstellung von Rundfunkprogrammen und für ihre öffentlich-rechtliche Erbringung
3.2.   Die fließenden Übergänge zwischen einer systemkonformen Regulierung und einer systemfremden Meritorisierung von Rundfunkprogrammen